Wie sehr hatte ich mich auf den neuen Film von Clint
Eastwood gefreut! Umso größer war die Enttäuschung.
Auch ein herausragender Cast unter der Leitung eines Genies – zu dem sich Eastwood in den letzten 15 Jahren mehr und mehr entwickelt hatte – garantieren leider noch keinen guten Film.
Stilistisch beeindruckend und in schönen Bildern erzählt ist der Film allemal.
Rein von der Bildsprache her haben wir es hierbei mit großem Kino zu tun. Der einzige handwerkliche Makel ist die wirklich schlechte Maske. Außer bei Naomi Watts, die wirklich als gut erhaltene Siebzigjährige durchgehen könnte, sehen die auf alt geschminkten Schauspieler aus wie ihre eigenen Karikaturen. Das ging bereits 1941 in Citizen Kane deutlich besser.
Doch das alleine wäre nicht so schlimm. Man könnte dieser Fehlerhaftigkeit, die seit Benjamin Button in einigermaßen gut budgetierten Produktionen eigentlich nicht mehr auftreten dürfte mit einigem Wohlwollen sogar einen nostalgischen Charme abgewinnen. Das Problem ist: Nach spätestens eineinhalb Stunden J. Edgar ist keinerlei Wohlwollen mehr übrig und der Film leider noch lange nicht zu Ende.
So überzeugend die Bildsprache des Films ist, so bedenklich erscheint die Art der Annäherung an die Person J. Edgar Hoovers.
Der legendäre FBI-Gründer wird von Leonardo DiCaprio als Mensch mit Stärken und Schwächen äußerst überzeugend gespielt – sofern das Problem mit der Maske nicht dazwischenkommt.
Allerdings: So anstrengend sich Hoover im Film durch seine bewegte Lebensgeschichte windet, so wenig zeigt der Film von den teilweise verheerenden Folgen der durch Hoover vorangetriebenen Kommunistenhatz. J. Edgars Ausländerfeindlichkeit verkommt im Laufe des Films zur belanglosen Marotte, eines ansonsten netten und um sein Land bemühten Herren.
Gezeigt werden zu Beginn des Films die Bemühungen Hoovers, prinzipiell verdächtige Ausländer schnell und unbürokratisch deportieren zu können. Doch anstatt diesen nationalistisch motivierten Generalverdacht kritisch zu hinterfragen, steht die erfolgreiche Deportation im Film exemplarisch für Hoovers Durchsetzungsvermögen.
Kritische Untertöne? Fehlanzeige!
Später verrät uns Hoover in einer bedeutungsschwangeren Szene per Voice Over welche zahlreiche Bedrohungen Amerika bevorstehen und wie wichtig es ist vorsichtig zu sein.
Gerade in Zeiten der zunehmenden Durchleuchtung der Bürger durch den Staat ist eine derart positive Darstellung Hoovers problematisch.
Noch problematischer ist, dass die Folgen von Hoovers handeln unter denen tausende von Menschen im Amerika der 40er und 50er zu leiden hatten (neben bei bemerkt auch eine beachtliche Anzahl Filmemacher) nicht im geringsten beleuchtet werden.
Das perfide an diesem Film ist, dass er sich differenziert gibt, jedoch lediglich den komplexen Charakter des von der Mutter unterdrückten, heimlich in seinen Assistenten verliebten FBI-Chefs psychologisierend unter die Lupe nimmt. Hoovers problematische Ideologie hingegen wird als notwendig hingenommen. Von Differenzierung keine Spur.
Jegliche Handlung Hoovers scheint zum Wohl des Staates, auch wenn der böse Staat, oder die dummen Bürger gar nicht wissen was er ihnen Gutes tut.
Fazit:
Die hausgemachten, von nationalistischen Grundzügen geprägten Ideologien Hoovers werden in Eastwoods neuem Film mit simplen Biographismen gekreuzt und heraus kommt ein anfangs sehr interessanter Film, der beginnt einen furchtbar zu nerven, wenn man feststellt, dass der Filmemacher nicht im Traum daran denkt die Fragwürdigkeit hooverschen Handelns kritisch zu hinterfragen. Der Film wird immer inhaltsloser und unreflektierter um dann in einem quälend pathetischen Ende zu gipfeln, in dem zwei schlecht auf alt geschminkte Hauptdarsteller erschreckend langsame Dialoge führen.
Das Schlimmste daran ist: Dem amerikanischen Publikum dürfte das sogar gefallen.
Was mich betrifft, so bedarf es einiger neuer Million Dollar Babys und Gran Torinos um Eastwood wieder als Garant für gute Filme zu akzeptieren.
Mit dabei: Leonardo DiCaprio, Naomi Watts, Armie Hammer
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen